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Unser ungewöhnlichster Übernachtungsplatz

Flo • März 07, 2022

Unser letztes Abenteuer auf der Insel:

Die Wanderung zum Startpunkt der Wanderung

Es gehört sicherlich zu unseren aufregendsten Abenteuern: Die Wandererung auf den Psiloritis. Die Vorstellung, bei Sonnenaufgang auf dem höchsten Berg Kretas zu stehen und noch einmal den Blick schweifen lassen zu können über die Insel, die über zwei Monate lang unser Zuhause war, hielten wir für einen runden und passenden Abschluss unserer Zeit im Winterquartier.


Dies bedeutete jedoch auch: Die Besteigung musste Nachts, im Finsteren stattfinden. Und als wäre dies nicht schon aufregend genug, wurde unsere Nervosität bereits auf der Fahrt dorthin gesteigert – durch eine kleine Lampe im Armaturenbrett, die uns schon auf halber Strecke auf einen viel zu leeren Tank hinwies. Würden wir überhaupt am Startpunkt der Wanderung ankommen, bei so viel Bergauf-Fahrt?

Mit keiner geöffneten Tankstelle weit und breit fiel unser besorgter Blick auf die immer wieder aufflackernde Kontrollleuchte, während wir uns mit Rusty immer höher und tiefer ins Gebirge kämpften. Nachdem wir das letzte Bergdorf passiert hatten, wurde die Straße steiler, die Serpentinen enger. Und mit jedem Meter stieg der Schnee am Straßenrand – anfangs hier und da wenige Zentimeter, später türmte sich die weiße Masse bis zu einem Meter hoch rechts und links der (erstaunlicherweise gut geräumten) Fahrbahn. Bis uns irgendwann, knapp vier Kilometer vor dem geplanten Einstieg in die Wanderung, drei Warnschilder den Weg versperrten:

Doch der Startpunkt lag nur noch wenige Kilometer vor uns und die Straßenverhältnisse machten einen soliden Eindruck auf uns, also ließen wir die Schilder hinter uns stehen und folgten der Straße weiter Richtung Ziel: Eine Schutzhütte auf knapp über 1000 Metern, deren Parkplatz im Sommer als Ausgangspunkt für eine Gipfelbesteigung dient.

Wäre die Straße weiterhin so geräumt gewesen, wären wir dort auch kurze Zeit später angekommen. So aber versperrte uns zwei Kilometer später eine Wand aus Schnee und Eis die Weiterfahrt. (Erinnerungen an die plötzlich endende Straße im Kosovo wurden wach :D) Von hier an ging es nur auf Schusters Rappen weiter.


Vielleicht sollte man an dieser Stelle hinzufügen: Eigentlich war geplant, mit dem Bus zum Startpunkt der Wanderung vorzufahren, dort unseren Rucksack fertig zu packen und uns dann noch einmal kurz hinzulegen, bis wir rechtzeitig vor Sonnenaufgang (der für kurz nach 6 Uhr angesagt war) dann auf die Wanderung Richtung Gipfel aufbrechen würden – immerhin hatten wir an diesem Abend noch nicht geschlafen und waren um kurz nach Elf bereits aufgebrochen.


Nun aber versperrte uns ein im Schwarz der Nacht liegendes Schneefeld die Weiterfahrt. Was sollten wir tun? Unsere ursprüngliche Route hätte uns über 4 Kilometer und 2.5 Stunden auf den Gipfel gebracht. Vorausgesetzt natürlich, wir würden den Startpunkt rechtzeitig erreichen und einen begehbaren Weg ausmachen können. Gut machbar im Sommer - angesichts der vor uns liegenden Schneemassen war unter diesen Bedingungen an einen Aufstieg auf den Gipfel jedoch keinenfalls mehr zu denken.

Dennoch wollten wir nicht ohne Ziel wieder abfahren. Und so wurde zu unserer neuen Herausforderung: Zumindest den Punkt zu erreichen, der ursprünglich als Ausgangspunkt der Wanderung geplant war!

Wir beschlossen, die Wegverhältnisse kurz auszuloten, also packten wir uns in alle Kleidungsschichten ein, die wir zur Verfügung hatten und verließen den warmen Bus. Draußen pfiff uns sofort ein schneidiger Wind um die Ohren. Die Schuhe direkt schlammig von der matschigen Straße, hinterließen wir direkt unsere Spuren auf dem vor uns liegenden Schneefeld. Ein paar Motorschlitten oder eine Pistenraupe hatten hier wohl am Tag vorher ebenfalls ein paar Spuren hinterlassen, zumindest zogen ihre Ketten tiefe Furchen hinein in die Berge. Eine gute Orientierung, befanden wir und beschlossen, den Versuch zu wagen, ihnen zu folgen. Schnell noch einmal zurück zum Bus, um Proiviant, Wasser, Schlafsäcke und Isomatte einzupacken und los ging es ins Ungewisse.


Mit Stirnlampen auf dem Kopf arbeiteten wir uns Meter für Meter auf dem Schneefeld voran. Gut, dass die Motorschlitten die Strecke vor uns passiert haben musste, denn zum einen gab die Spur Orientierung, zum anderen sackten unsere Schritte nicht allzu sehr ein.

Die Betonung liegt auf "allzu sehr", denn dennoch – alles ist relativ - versanken wir Schritt für Schritt im Schnee, was das Vorankommen erheblich erschwerte. Das Windschatten-Prinzip vom Fahrradfahren kam uns auch hier zugute, die bereits ausgetretenen Schritte des Vordermanns wurden genutzt, den eigenen Tritten mehr Halt zu geben und dadurch weniger Kraft zu benötigen – es ging immerhin stetig bergauf.

Nach knapp einer halben Stunde und vielleicht 800 Metern kam dann noch dazu, was wir nicht gehofft hatten: Schneefall setzte ein und fing an, die Spur der wir gefolgt waren, zu bedecken. Doch unser bisheriges Vorankommen hatte uns zuversichtlich werden lassen und sowohl die zurückgelegte, als auch vor uns liegende Strecke erschien uns machbar. Die Navigation auf dem Handy zeigte schon lange keine Route mehr an, aber unser GPS-Signal war gut vorhanden und das Ziel auf der Karte, in gerader Linie vor uns, bereits ausmachbar. Die Hälfte der Strecke hatten wir geschafft!


Es wurde kaum gesprochen auf diesem Teil der Wanderung – zu anstrengend war das Vorankommen, zu mühsam wäre es gewesen, sich mit der Stimme auch noch gegen den Wind durchzusetzen.

Dennoch kamen wir voran. Und erreichten ca. ein- bis eineinhalb Stunden später das Plateau, das im Sommer als Parkplatz und Ausgangspunkt für die Gipfelbesteigung dient. Viel zu sehen war von dem Plateau nicht, außer glattem Schnee, wohin das Auge reicht und, im Stockfinsteren vor uns liegend, nur vom Schein unserer Stirnlampen beleuchtet: Ein paar Schutzhütten, meterhoch im Schnee begraben, wo im Sommer staubiger Schotter die Wege begehbar macht.

Ein paar Fähnchen flattern im Wind, ansonsten ist es still. Eine gruslige Stimmung.

Wir erkunden die Hütten. Die Tür zu einem der Steinhäuser steht offen, kaum sichtbar weil von Schnee beinahe zugeschüttet. Drinnen ist es dreckig, verlassen. Müll aus den Sommermonaten liegt herum, ein paar ausgelegene, zerschlissene Matratzen stapeln sich auf den kalten Steinbänken. Ein rußiger Kamin lauert finster im Eck, ein alter, kahler Ofen wartet mitten im Raum darauf, angefeuert zu werden. Aber es ist windstill und glatt ein paar Grad wärmer als draußen – und so beschließen wir, inne zu halten, Brotzeit zu machen und sind glücklich darüber, unseren Zielpunkt erreicht zu haben.

Es war kalt, es war dunkel, unbehaglich und spät (mitten in der Nacht, um kurz vor 4...) aber nach und nach wuchs in uns die Idee, dort zu bleiben, in der Schutzhütte, und auszuharren. Wie sähe wohl die Schneelandschaft hier oben aus, wenn wir am Morgen aus der Hütte treten würden? Was wäre das für ein Bild der Umgebung, von der wir nachts allenfalls 10 Meter um uns herum sehen und sonst nur erahnen konnten, was für ein Panorama die Hänge um uns herum bieten würden.


Schlafsachen hatten wir dabei (ursprünglich gedacht, um am Gipfel der Kälte beim Warten auf den Sonnenaufgang zu trotzen), also nutzten wir eine der Matratzen der Schutzhütte als Nachtlager, indem wir unsere Picknickdecke darauf ausbreiteten, knüpften unsere beiden (Sommer)Schlafsäcke zu einem großen Doppelschlafsack zusammen und kuschelten uns zu zweit hinein, um uns gegenseitig zu wärmen.

2 Stunden Schlaf sollten uns ausreichen, bevor uns unser Wecker an den bevorstehenden Sonnenaufgang erinnerte.


Und dann, am Morgen:


Wir traten aus der Hütte und der atemberaubende Rundumblick verschlug uns die Sprache! Der Himmel glühte in einer Mischung aus Orange und Rosarot, die umliegenden Berge lagen wie weiche Wolken unter einer sanften Decke aus Schnee. Die Strapazen der Nacht vergessen, wohin wir auch blickten, hielt das Panorama uns in Atem. Ein traumhaftes Bilderbuchmotiv nach dem anderen erschloss sich rund um uns herum, in den strahlendsten Farben und dem unberührtesten Schneeweiß.

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Noch war die Sonne nicht über die Berggipfel geklettert, also beschlossen wir: Von einem der kleinen Gipfel der umliegenden Hügel sieht man den Sonnenaufgang bestimmt noch besser und wir machten uns an, noch ein gutes Stück weiter hochzusteigen.

Der Hang war unglaublich steil und raubte uns die Puste. Selbst für uns zwei Sportler super anstrengend, kletterten wir zwischenzeitlich sogar auf allen Vieren bergauf.

Oben empfing uns ein überraschend starker Wind – so stark, dass man sich in ihn sogar schräg hineinlehnen konnte. Eine beeindruckende Aussicht bis zur Küste, an der wir vorher noch irgendwo unsere Homebase mit den anderen Campern hatten, war der Dank für die Mühen des Aufstiegs.


Und genau in diesem Moment blitzten die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Berg hervor. Wir standen einige Sekunden lang ehrfürchtig da, erinnerten uns stumm an die beiden Monate auf der Insel, die nun hinter uns lagen. Was für ein besonderer Augenblick, ein wundervoller Abschluss unserer Zeit auf Kreta. Gedankenverloren ließen wir einige der Erinnerungen Revue passieren, die die letzten Wochen/Reise bis hierhin so wunderbar gemacht hatten.

Der Abstieg war ganz nach unserem Geschmack. Die abgetretenen Sohlen unserer behelfsmäßigen "Wanderschuhe" eigneten sich wunderbar als ein paar Skier – und so gelangten wir mehr rutschend als laufend wieder zurück an unseren Ausgangspunkt bei den Schutzhütten. Während des restlichen Rückwegs stellten wir dann fest: Der Grund, warum ausgerechnet heute die Straße, auf der wir hergekommen waren, so weit geräumt war, war ein an diesem Tag stattfindendes Skirennen. Eilig sputeten wir uns, Rustys Parkplatz für die ankommenden Wintersportler freizugeben und fuhren mit einem Gefühl wie im Skiurlaub bei strahlendem Sonnenschein zurück durch die Schneestraße Richtung Küste. Kreta als Sommerurlaub-Strandparadies? Nichts kam uns in diesem Moment entfernter vor.

Eher rollend als fahrend, um Sprit zu sparen - der Tank war ja immer noch leer – ließen wir Rusty bergab laufen und fanden auf der Rückfahrt im ersten Dorf entlang der Strecke auch recht bald eine Zapfsäule, die nun, bei Tage, zum Glück auch wieder geöffnet hatte. Wahnsinnig zufrieden mit unserem Abenteuer fuhren wir zurück zu unserem kleinen Camp an der Küste, wo die anderen Reisenden und ein kleines Kretanisches Abschiedskomitee auch schon beim Grillen auf uns warteten. Von dort aus würde uns eine Fähre schon kurz darauf wieder von der Insel und zurück zum Festland bringen...

Aber das ist eine andere Geschichte!

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