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Von Mäusen und Motoren

Flo • Mai 27, 2021

Kleine Ursache – große Wirkung: Eine Geschichte von der Hilfsbereitschaft.

Der Abend begann recht unspektakulär an unserem angestammten Übernachtungsplatz auf dem kleinen Strandstück kurz außerhalb von Kopenhagen: Jenny hatte spontan vorgeschlagen, noch eine Runde Bouldern zu gehen und weil es bereits späterer Abend, regnerisch und ein gutes Stück bis zur Halle war, boten wir an, sie mit dem Bus aufzusammeln und gemeinsam hinzufahren.

 

Eine Mitfahrerin: Großer erster Einsatz für die Rückbank! Dafür musste sie lediglich noch freigeräumt, an ihrem Platz im Bus verankert und aufgeklappt werden – lediglich. Denn, wie sich in diesem Moment herausstellte, hatte es sich eine Maus in den Polstern gemütlich gemacht gehabt. Der Bezug war an einer Stelle aufgewühlt, der Gurt angenagt, das Polster zerrissen.

Es war das erste Mal seit dem Aufbruch, dass wir die Bank aufklappten – vorher stand sie lange Zeit so wie sie war im Keller. Das war vermutlich der Zeitpunkt, in dem die Maus sie als ihr Zuhause nutzte und vermutlich auch der Grund, weswegen wir weder das Loch noch sonst etwas bemerkt hatten. Die Maus war längst ausgeflogen, was blieb war ihr Geruch: Ein unverkennbar süßliches Odeur von Tierstall, auf das wir nur deshalb bisher nicht aufmerksam geworden waren, weil die Bank (scheinbar ziemlich luftdicht) zugeklappt gewesen war.


Nun war sie aber aufgeklappt, sollte benutzt werden und eine Lösung musste her. (Das mit dem Bouldern könnte sich noch um ein paar Minuten verzögern...) Der Plan also erst einmal: Die Tankstelle, weil es da einen Staubsauger gibt. Und der zweite Stop: Ein beliebiger Supermarkt, für Polsterreinigungs- und Desinfektionsmittel.

Also ab ans Steuer und los. Aber wie es immer ist: Wenn es kommt, dann kommt es dicke. Denn just in diesem Moment gab unser Motor nur noch ein müdes Zucken von sich – Anspringen: Fehlanzeige.


Scheiße.


(Im wahrsten Sinne des Wortes.) Doch Moment – war auf dem Eingangstor gegenüber unseres Lagerplatzes nicht groß und breit das Symbol einer Pfadfinderorganisation abgebildet? Tatsache, richtig erkannt!

Dort könnte doch jemand sein, der vielleicht ein Anlasserkabel hat. Und tatsächlich: Kaum nachgefragt, kam auch schon ein Pfadi ums Eck, ganz klassisch in Hemd und mit Tuch um den Hals, und weniger klassisch, aber umso lässiger: mit ner Fluppe im Mundwinkel. Unser dänischer Helfer hat dann auch sofort sein Auto vorgefahren, Motorraum aufgemacht und beide Batterien mit seinem Anlasserkabel verbunden. Hätte an der Stelle schon ein Happy End sein können – wenns funktioniert hätte. So wirklich anspringen wollte der Motor nämlich immer noch nicht.

Doch so leicht gibt ein Pfadi nicht auf: Mit dem Handy wurde ein Kumpel angerufen, der sich angeblich mit Autos auskennt und dann gabs zur Ferndiagnose sogar eine Live-Übertragung des Motorraum-Innenlebens per Video-Telefonie an den fachkundigen Fremden. Der hatte auch direkt eine simple Lösung parat:


Haut mal mit dem Hammer drauf!


Klar, logisch. Was in Filmen funktioniert, muss ja auch in Echt irgendwie klappen. Also gesagt getan, unser Pfadi kurz verschwunden, und zurück mit einem Hammer. Und dann wurde eifrig im Motorraum gepocht und gehämmert, gezielt geschlagen und gekonnt geklopft. Der anschließende Test beim Anlassen spannte uns alle auf die Folter.


Und siehe da: Was als unglaubwürdige Geschichte begann, fand wirklich Erfolg - Der Motor sprang an! Wahnsinn :D

Die Hau-Ruck-Methode, die anfangs mehr erfunden als legitim erschien, hatte tatsächlich einen soliden Hintergrund: Hat sich der zentrale Teil des Anlassers, ein frei drehendes Schwungrad, aufgrund von Kälte oder Rost einmal leicht festgefressen (was bei den Witterungsbedingungen an der dänischen Küste nicht unrealistisch ist), kann man es durch gezielte Schläge auf seine Ummantelung ggf. wieder lösen – was auch in unserem Fall zum entsprechenden Ergebnis geführt hat.

 

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Was so frustrierend und nervenaufreibend begann, entpuppte sich als eines der schönsten bisherigen Erlebnisse dieser Reise: Die Dankbarkeit und Freude über die Hilfsbereitschaft, dass sich gleich mehrere Fremde so ambitioniert unseres Problems annahmen, war riesengroß.

Das Bouldern haben wir verschoben, aber nun konnten wir, erleichtert über die Kosten, Zeit und Nerven, die wir gespart hatten, losfahren, ein bisschen gute Musik anschalten und uns in Ruhe um die Rückbank kümmern.

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